Wieder daheim

Samstag Abend um halb Zehn rolle ich mit dem Fahrrad wieder in den heimischen Reihenhausvorgarten. Die Fahrt mit dem Rad in der Bahn dauert knapp über 12 Stunden. Schon beim Einsteigen die bange Frage, ob das Fahrrad noch mit rein kann. Der Zug hat genau zwei Plätze für Fahrräder, und die sind schon belegt. Einer der erfahreren französischen Radmitnehmer meinte, ich solle es einfach in den Gang stellen. "Ça gêne pas."
Eine gewisse Beruhigung, als der Zug schließlich anrollt und noch niemand verlangt hat, das Rad wieder hinauszustellen. Obwohl der Zug bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Nach einer halben Stunde bekommt die junge Zugschefin den Drang, für Ordnung zu sorgen. Die Fahrräder müssen in der Reihenfolge der Zielbahnhöfe an den Platz gelehnt werden. Da ich als letzter aussteige, kommt mein Fahrrad als erstes dran. Am Ende stehen vier Räder, wo Platz für zwei ist, und ich kann beruhigt die Fahrt genießen.
Vier Stunden durch die französische Landschaft, die sich am Ende auch nicht von der bekannten deutschen unterscheidet. Juli Zeh verkürzt mir die Zeit mit ihrem Roman "Unterleuten". Leider nur noch die letzten Kapitel, dann ist der Lesestoff aus. Mein alter Sony-Reader geht nicht allein ins Netz, um Nachschub zu holen.  Ich erinnere mich, dass ich tief unten in der Packtasche noch den guten Kopfhörer habe, so kann ich hören, was das Handy Kunstwerken gespeichert hat. Endlich mal Ruhe, Bruchs schottische Fantasien zu hören. 
Irgendwann ist der Zug schließlich in Mulhouse, die anderen Räder sind ausgestiegen worden, neue kamen hinzu. Mein Rad ist also immer noch das unterste. Räder steigen erst aus, wenn alle Leute draußen sind. Dummerweise hat der Zug Verspätung und die Umsteigezeit ist drei Minuten. Mit dem Aufzug auf die Überführung (irgendwie war ich als erster am Aufzug und da passt genau ein Fahrrad rein). Mit dem voll bepackten Fahrrad die Treppe zu Gleis 1 runter und kurz vor dem Piepen in den Zug. Geschafft. Nächster Halt Basel.
In Basel ist alles recht entspannt - man kommt ohne Aufzug oder Treppe vom Gleis zur Straße, fährt eine Viertelstunde durch die Stadt und ist am badischen Bahnhof. Von dort, sagte man mir, bräuchte ich eine Fahrrad-Zusatzkarte zum Fahrschein. Im Fahrplan stand außerdem, dass Fahrräder für den IRE zwischen Singen am Hohentwiel und Stuttgart reservierungspflichtig seien. Die Dame am Schalter beruhigt mich - das ist ein Nahverkehrszug, da können Sie ohne Reservierung das Fahrrad mitnehmen. Die kann man gar nicht reservieren. So hatten sie es auch an der Bahn-Hotline gesagt, als ich die Route herausgesucht hatte.
In Singen fragt dann der sehr korrekte Schaffner nach meiner Reservierung. Ich zeige ihm meine Fahrrad-Zusatzkarte (für fünf Euro). Die könne ich in seinem Zug vergessen, die sei nur für den Nahverkehr sein Zug sei ein Intercity, da gelten die Fernverkehrsregeln für Fahrräder. Die Ausnahme sei nur, dass für Fahrgäste auch Nahverkehrstickets gelten. 
Um solch ein Tarifchaos zu bewirken, musste die Bahn einige Dutzend rote Regional-Express-Züge umlackieren. Die sind jetzt weiß mit rotem Streifen und fungieren als IC-Züge. Der Zwitter wird IRE genannt. Vor dem Zug stehen weitere Radler, ebenso verwirrt. Aber wir haben Glück, es gibt keine Reservierung bis Stuttgart, darum dürfen wir mitfahren.
Aber wir müssen noch eine Reservierung lösen. Vorschrift ist Vorschrift. Die Reservierung wäre im Preis unseres Nahverkehrstickets enthalten gewesen, wenn wir sie gleich gelöst hätten. Hatten wir aber nicht (weil die Dame am Schalter es besser wusste). Darum kostet die jetzt noch mal 4,50 €.
Und die Fahrräder müssen ordnungsgemäß in den Halterungen eingehängt an ihrem vorgesehenen Platz stehen. "Wenn das Eisenbahnbundesamt kommt, und die Räder stehen hier so rum, dann kriege ich Ärger." Hat jemand schon mal das Eisenbahnbundesamt in einer Eisenbahn gesehen? Nun, es gibt Systeme, wo die Angst vor Ärger von oben realer ist als der Ärger selbst. Der Schaffner zeigt mir auch ein Papier, wo er jedes Fahrrad genau vermerken muss: Wo eingestiegen, wo ausgestiegen, wie viele Räder? Die Deutsche Bahn muss es genau wissen.
Die Fahrrad-Zusatzkarte kann ich mir nun einrahmen. Gebraucht habe ich sie nicht. Nach einem weiteren Umstieg in Stuttgart (wo die Bahn bekanntlich das 21. Jahrhundert begrüßt) erreiche ich schließlich um 21:10 Roßtal. Noch eine kurze Fahrt durch den Nieselregen, dann bin ich daheim.

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